Es ist ein stilles Buch, nichts für Menschen, die Action lieben. Es passiert nichts. Es lebt von leisen Tönen.
Klaus Modicks Novelle „Moos“ beschäftigt sich mit den Naturbeobachtungen des emeritierten Biologieprofessors Lukas Ohlberg über die Jahreszeiten, fern des bislang gewohnten akademischen Lebens in der Stadt. Ohlberg weiß, dass er nicht mehr lange zu leben hat und sucht den Rückzug. Im Landhaus seiner Eltern wachsen mit der Länge seines Bartes seine Zweifel an seiner eigenen wissenschaftlichen Vorgehensweise. Zu einem tieferen Verständnis der Bäume, Gräser und vor allem der Moose hätten seine langjährigen Untersuchungen nichts beigetragen – im Gegenteil resümiert der Ich-Erzähler. Hier, abgeschieden und mit sich und seinen Erinnerungen beschäftigt, horcht er auf, erkennt, dass ein Jahr „alles birgt und nimmt und gibt; dass ein Jahr nichts als ein Augenaufschlag, ein Wimpernzucken, ein beiläufiges Atemholen der Natur“ ist.
Moos, die älteste lebende Pflanze, wird zum Zentrum der Betrachtungen des sterbenden Botanikers. In der Abgeschiedenheit verliebt er sich in die wachsende und vergehende Natur, in die Raum- und Zeitlosigkeit und eben in die Vielfältigkeit, Zartheit und Weisheit von Moos. Für Modick dient Moos als ein gefundener Ausgangspunkt philosophischer Erkenntnisse und feinsinniger Wortspiele.
Besonders interessant ist das Erscheinungsjahr 1984 der Originalausgabe. Alle Aussagen und Betrachtungen gewinnen an Bedeutung, wenn man berücksichtigt, dass diese bereits vor mehr als 35 Jahren erdacht und aufgeschrieben wurden!
Ein kleines, feines Buch!
Klaus Modick. Moos. Novelle. Kiepenheuer & Witsch. 1. Auflage 2021.
Die Originalausgabe erschien 1984 im Haffmans Verlag.
© Annette Rümmele
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