Zugegeben, sie ist nicht mehr neu, diese Gedichtsammlung, herausgegeben von Marcel Reich-Ranicki, aber sie ist in ihrer Fülle der vorgestellten Dichterinnen immer noch aktuell. 181 Gedichte aus der Feder von 54 Autorinnen. Eröffnet wird der Band mit dem Gedicht einer unbekannten Dichterin aus dem 12. Jahrhundert, einer Nonne. Frauen hatten nur sehr vereinzelt Gelegenheit, sich poetisch zu zeigen und sich als kreative Persönlichkeit weiter zu entfalten. Die romantische Dichterin Karoline von Günderrode, hier vertreten mit drei ihrer Gedichte, veröffentlichte zunächst unter einem Männerpseudonym und verzweifelte bereits in jungen Jahren an der Missachtung ihrer Kunst. Der Bogen im Band spannt sich weiter von Annette von Droste-Hülshoff über Else Lasker-Schüler, Nelly Sachs, Hilde Domin bis zu Sahra Kirsch, Ulla Hahn und Barbara Köhler. Auszeichnungen und öffentliche Förderung sind allerdings weiterhin rar. In 120 Jahren Geschichte des Nobelpreises für Literatur bekamen ihn 16 Frauen. 1966 erhielt Nelly Sachs, in diesem Band mit fünf Gedichten vertreten, diese hohe Auszeichnung. Die Interpretationen der einzelnen Gedichte sind Angebote der jeweiligen Autor:innen, sehr lesenswert, doch zuweilen etwas aus der Zeit gefallen. Aber zugegeben, diese Gedichtsammlung ist nicht neu.
Marcel Reich-Ranicki (Hrsg.) Frauen dichten anders. 181 Gedichte mit Interpretationen. 1998
© Annette Rümmele
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