Ich lasse mich ein –
auf ein Abenteuer,
das Abenteuer Schreiben
Sich-Einzulassen bedeutet lebenslängliche Beschäftigung. Für mich gibt es kein Zurück. Licht- und Schattenseiten. Höhen und Tiefen. Untiefen. Dickicht. Und es gibt den Zweifel, die Blockade, den Skrupel und den Widerstreit im Innen und Außen. Heute und morgen dann: die Freude, der Flow, der Erfolg.
Das Ziel ist unbekannt, denn es gibt keinen Schluss. Wie im Leben. Jedes Ende eines Romans ist eine Illusion. Es geht immer weiter, gnadenlos oder Mut machend, bedingungslos oder hoffnungsvoll. Selbst wenn ich nicht schreibe. Mein Geist formuliert einfach weiter. Es ist ein großartiges Abenteuer, auf das ich mich einlasse. Das Schreiben.
Der Anfang: – September 1999
Eine kurze Antwort auf eine Kleinanzeige in einer Wochenzeitung führt mich in die Eifel ins Kloster Himmerod. Ein stiller Ort, ein friedlicher. Ich habe keinen Hintergrund, außer meiner ungezähmten Lust am Lesen und meiner Sucht, mein Leben in einem Tagebuch festzuhalten. Ich liebe Papier, blanke Hefte und Stifte aller Art. Damit kritzle ich auf jeden Zettel meine ungeordneten Gedanken. Die suchen Unterstützung und die finde ich hier.
Erste Schreiberfahrungen im Kloster. Kennenlernen einer heterogenen Gruppe. Im Lauf der Tage ordnet sich der Wirrwarr in meinem Kopf zu einem ersten Kurzgedicht:
Murmeln der Mönche
Meditation hilft mir
schweigend in den Tag
„Das bin ich“ als Anregung, als Aufforderung über mich zu schreiben. Das Thema wühlt mich auf. Verunsichert mich. Wirft mich auf das Papier. Was will ich preisgeben? Schreiben konfrontiert mich. Und bündelt mich zugleich.
Ohne zu denken
atmen wir Luft und lieben
Wolken am Himmel
Was mich bewegt: Veränderungen. Vertrauen und Erfahrung zeigen mir den Weg. Ich will mich einlassen auf das Abenteuer Schreiben. Dafür brauche ich Mut, Muße und Zuversicht.
Herbstfarben tanken
Abschied vom Alltag gelingt
schreibend im Kloster
Die Gemeinschaft: –
Es geht um viel mehr als um meine Selbsterfahrung, es geht um die Entdeckung eines unbekannten Kontinents – der Welt des Schreibens. Diesen inneren Kontinent will ich erforschen. Die Übungen in den Alltag zu übersetzen ist schwer, denn das Leben holt mich immer wieder ein. Tapfer verscheuche ich mein Selbstmitleid. Ich will meine Erfahrungen in einem Buch bündeln. Aber wie? Mein Interesse am Institut für Kreatives Schreiben ist nachhaltig geweckt und ich besuche erneut einen Schreibkurs von Rüdiger Heins im Kloster Himmerod.
Ich brenne lichterloh
Was ist geschehen,
dass ich in Flammen stehe?
Aus meinem Kopf
fallen Strichmännchen
statt Gedanken
Sofort fühle ich mich aufgenommen, daheim, integriert in die Gemeinschaft der Begeisterten. Meine Zweifel schwinden. Eine starke Hand führt meine und trägt mich weiter. Sprache als Ausdruck von Gefühlen, Gedanken, Ängsten sowie Freude, Liebe und Glück. Ich empfinde, spüre und will Gedanken weitergeben. Wir sind eine Gruppe und ich werfe Ballast in die Mitte. Balsam auf meine Seele … lauschen in die Stille. Ich bin eingehüllt … und konzentriert bei mir, vergesse die anderen und schweife in meine Tiefe.
Jahr für Jahr bin ich nun dabei in dieser wechselnden Gemeinschaft von Literat:innen. Meine erste Kurzgeschichte ist geschrieben, in der Schublade liegen Gedichte, die ich noch nicht vorzeigen möchte. Die Themen sind vielfältig, die wir bearbeiten: Heilgesang der Sprache. Wege zum eigenen Buch. Wie schreibe ich ein Gedicht. Sehnsucht nach der Erinnerung. Über das Glück im kreativen Schreiben. Und vieles mehr.
Nicht immer kann ich teilnehmen, denn das gelebte Leben verläuft nach eigenen Gesetzen. Die stillen Tage im Kloster sind Juwelen der Besinnung und nur dort habe ich die Ruhe, die ich brauche, um mich den Themen zu widmen, die mich bewegen. Und – ich bin nicht allein. Die Kraft einer starken Gruppe, die mich nicht vergisst, immer wieder einlädt, die mir Gedichte widmet ist ein Geschenk in phasenweisen sehr trüben Zeiten. Wir stemmen uns mit der „Langen Nacht des Friedens“ gegen Gewalt und Krieg, wir lesen in Kirchen, Höhlen und auf freiem Feld. Wir schicken uns Texte und bestärken uns in dem gemeinsamen Interesse, schreibend einen Beitrag zu leisten.
Das INKAS, Institut für kreatives Schreiben, gegründet 1996 von dem Schriftsteller Rüdiger Heins, dient der Ausbildung von Nachwuchsautor:innen im lyrischen, belletristischen und journalistischen Bereich. Immer wieder werden Lesungen veranstaltet, die zu Beginn eXperimenta genannt wurden. Aus diesem Experiment entwickelte sich über die Zeit das Onlinemagazin eXperimenta für Literatur und Kunst von Rang und Namen. Die eXperimenta feiert in diesem Jahr ihr 20jähriges Bestehen mit vielen Veranstaltungen, Lesungen und Ausstellungen.
Ich bin eine Quereinsteigerin, kam aus meiner akademischen Lebenswelt in den Zauber der „Worte aus der Stille“ im Kloster Himmerod. Sie haben mich geprägt und das bedeutet lebenslänglich. Ich schreibe täglich irgendetwas. Meist völlig Belangloses, Eindrücke, Geräusche, Bilder, Personen, Schicksale … ich bin voller Ideen und hoffe darauf, noch viel Zeit zu finden, das eine oder andere auch niederzuschreiben, und meinen Träumen weiter zu folgen.
Einkehr im Kloster
ein Kuckuck ruft fordernd,
doch Muße will wachsen
Die hier zitierten Gedichte entstanden alle 1999 im Kloster Himmerod, zu einer Zeit, in der ich nicht einmal ahnte, dass ich ernsthaft schreiben werde. Es ist der Sog des Papiers und der Charme der Stifte …
Verführt zum Abenteuer Schreiben.
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